Beamte im “Clinch”
Deeskalation, Abwehr, Angriff und Verhältnismäßigkeit: Justizwache, Exekutive, Zollbeamte und Securities und Sozialarbeiter trainierten gemeinsam bessere Eigensicherung.
Harte Bandagen: Markus Wieselmayer, Justizwachebeamter, wird von einem Cobra-Beamten zu Trainingszwecken niedergerungen.
„Wenn ihr eine innere Stimme hört, dass ihr nicht mehr könnt – überhört diese gefälligst!“ Nein, hier läuft kein Bootcamp für Möchtegern-Promis, sondern ein Seminar für Behörden in der Justizwacheschule Wien-Josefstadt.
Denn Einsatzkräfte müssen üben. Wenn es zu brenzligen, manchmal sogar lebensbedrohlichen Situationen durch einen Angreifer – sei es ein Insasse einer Justizanstalt oder ein Täter im öffentlichen Raum – kommt, zählt jede Sekunde. Jeder Handgriff. Die richtige Reaktion. Im richtigen Moment. Das braucht Übung.
Vorweg: Hier werden keine „Kampfmaschinen“ ausgebildet, sondern Mitglieder der Justizwache, Exekutive, des Zolls, Securitys, auch eine Sozialarbeiterin einer Justizanstalt. Unterschiedliche Berufsgruppen, ein Motto: Deeskalation steht an oberster Stelle, gefolgt von Verhältnismäßigkeit der Einsatztaktik. Doch wenn das Gegenüber nur Angriff im Sinn hat und alle Gespräche scheitern, müssen die Beamten in der Lage sein, sich und ihre Kollegen zu schützen. Auf technisch und gesetzlich korrekter Basis.
Bei 1.200 Insassen gibt’s Spannungen
Als Trainer sind Ex-Cobra-Mitglied Dieter Engelhart , Kampfsport-Profi Peter Weckauf, Wolfgang Lamhomsek, Einsatztrainer der Sicherheitsakademie Traiskirchen und WEGA-Mitglied Anton Dyk in der Justizwacheschule. Abwehr, Angriff und Fixierung werden trainiert.
Organisator ist Gernot Wagner (links), er wohnt im Bezirk Bruck/Leitha und kommandiert die Justizwache-Einsatzgruppe Wien-Josefstadt. „Ziel ist es, dass sich die Behörden untereinander besser vernetzen. Es gibt immer wieder Berührungspunkte von Polizei und Justiz bei Gerichtsverhandlungen oder Tathergangsrekonstruktionen“, erklärt er.
Attacken mit Rasierklingen, Scherben oder Besenstiel
In der Justizanstalt Wien-Josefstadt sind 1.200 Insassen aus rund 50 Nationen untergebracht. „Spannungen bleiben da nicht aus“, weiß Wagner; ebenso, dass die Zahl der suchtkranken und geistig abnormen Insassen ständig steigt. Im Durchschnitt ein Mal am Tag muss die Einheit ausrücken. Vieles kann friedlich gelöst werden, jedoch nicht alles. Die Sondereinheit unter Leiter Major Stefan Mersisch hat 80 Mitglieder.
„Da kann es vorkommen, dass Mitarbeiter mit Rasierklingen, Scherben oder einem Besenstiel attackiert werden“, berichtet er; auch, dass es zu Angriffen auf Kollegen kommt. „In den Hafträumen hat man nur wenig Spielraum zum Ausweichen.“ Verletzte Insassen gibt es kaum. Denn nur mit guter Technik und nicht mit sinnloser Gewalt wird ein Angriff gekonnt abgewehrt und der Angreifer beruhigt.
Von Gila Wohlmann NÖN vom 9. März 2015