In dieser Ausgabe möchte ich die Gelegenheit nutzen und nach SDS Concept und Tomahawk Fighting Concept über ein weiteres unserer SAMI Systeme schreiben. TCS Knife Fighting Concept ist – wie die beiden anderen Systeme – ein zu 100% eigenständiges Nahkampfsystem, das auf Kampfkonzepten und Prinzipien basiert. Das Messer ist einer der ältesten Kulturgegenstände. Es ist Werkzeug, Waffe, Standeszeichen, Schmuck, Kunstgegenstand, Tauschobjekt, Kult- und Ritualwerkzeug sowie Sportgerät. Aber auch die Verteidigung gegen Messerangriffe wird zunehmend wichtig in der Kampfkunstwelt.
Das Messer ist eine der ältesten, aber auch eine der gefährlichsten Waffen der Menschheit. Das Messer als Waffe findet man in allen Kulturen, allen Regionen, bei beiden Geschlechtern sowie in allen Lebenslagen. Durch die technische Entwicklung von Waffen gingen viele alte Kampfkünste verloren. Im folgenden Artikel möchte ich neben einer kurzen Einführung in TCS Knife Fighting Concept auch Einiges über die Theorie der waffenlosen Verteidigung gegen Messerangriffe schreiben.
Die europäische Geschichte
In den europäischen Kampfkünsten findet man hauptsächlich Stile mit Blankwaffen wie beim Fechten oder dem Schwertkampf. Die meisten dieser Systeme stammen aus dem deutschen Raum, Spanien, Italien oder Frankreich. Während der langen Geschichte des Messers als Waffe haben sich viele Systeme und Schulen des Messerkampfes entwickelt. In der Regel haben sie sich je nach Region, Kultur und ihrer Herkunft voneinander unterschieden.
TCS Knife Fighting Concept
TCS Knife Fighting Concept wurde entwickelt um als eigenständiges System zu stehen, das sich zu 100% dem Messer (Messerkampf, Messerverteidigung, taktischer Messereinsatz und Messerfechten) in allen Ausprägungen widmet. Dadurch hat es uns aber auch die Möglichkeit geboten durch ständiges Lernen und Training eine Kunst zu entwickeln, die diese Waffe mit modernen Trainingsmethoden verbindet.
Wir wollten ein europäisches System entwickeln, das frei von Politik und verkrustetem Meisterdenken ist. Neue technische Entwicklungen und wechselnde Übungsmethoden, eigenständige und messerspezifische Prinzipien und Konzepte sowie didaktisch bestens geschulte Trainer sind Eckpfeiler von TCS Knife Fighting Concept.
100% messerbasiert bedeutet, dass das Thema für uns zu wichtig und zu ernst ist, um das Messer als Unterstil zu einem System zu trainieren. Nicht alle Waffenkonzepte kann man beliebig übertragen und vermischen und nicht alle machen daher in der Messerverteidigung Sinn. Deshalb war bei der Entwicklung dieses höchst effektiven Waffenkampfsystems besonders auch auf die Eigenheiten, Distanzen, die spezielle Handhabung sowie die Schwächen und Stärken dieser Waffe Rücksicht zu nehmen. Dies macht dieses System auch so interessant, da es die Möglichkeit bietet ein hohes Niveau im Umgang mit dem und gegen das Messer zu erreichen.
Kampfkunst, Selbstverteidigung und Sport
Im TCS Knife Fighting Concept habe wir den Spagat geschafft, die drei Säulen Kampfkunst, Kampfsport und Selbstverteidigung zu verbinden.
Die Kampfkunst – hier steht die technische Entwicklung des Anwenders im Mittelpunkt.
Die Selbstverteidigung – dient zur Steigerung der persönlichen Sicherheit oder der anderer Personen um sich in Notsituationen gegebenenfalls optimal schützen zu können.
Der Kampfsport – ein sinnvolles sportliches Messertraining, welches alle essentiellen Fähigkeiten wie körperliche Fitness, Entscheidungskraft, Entschlossenheit, Mut, Selbstvertrauen, sowie strategisch-taktisches Handeln entwickelt.
Diese drei Säulen ergänzen einander. Durch den Sport bzw. Messerfechten, werden Attribute wie Reaktion, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Timing, Koordination etc. trainiert, die auch für die Selbstverteidigung relevant sind. Aus der Kampfkunst kommen die speziellen Trainingsmethoden(z.B. Schleifentraining), mittels welcher die Techniken perfektioniert werden können. Bei den Selbstverteidigungsanwendungen kommen Stressfaktoren und realitätsbezogene Szenarien hinzu. Selbstverteidigung Kampfkunst und Sport beeinflussen und ergänzen einander im TCS Knife Fighting Concept.
Bereiche des Messertrainings
Messerkampf – Ist der Kampf Messer gegen Messer. Beide, der Verteidiger und der Angreifer, setzen das Messer aktiv ein.
Messerverteidigung – Ist die waffenlose Verteidigung (im zivilen bzw. beruflichen Kontext) gegen einen oder mehrere Angreifer mit Messer bzw. auch der Schutz einer dritten Person bei einem Messerangriff.
Messerbedrohung – Von einer Messerbedrohung spricht man, wenn der Angreifer das Messer als Druck- und Einschüchterungsmittel einsetzt und nicht unmittelbar damit angreift.
Messerfechten – Ist der sportliche Messerkampf nach Regeln und mit dafür vorgesehenen Trainingsmessern.
Taktischer Messereinsatz – Hauptsächlich im militärischen Einsatz um das Messer als primäre und sekundäre Waffe offensiv einzusetzen.
Die Ausbildung beinhaltet ein großes Spektrum in allen diesen Bereichen des Messertrainings, entweder als ganzheitliches System, in welchem der Anwender alle Bereiche des Systems kennenlernt und trainiert oder aber sich Teilbereichen speziell widmet (z. B. nur Messerverteidigung und -bedrohung).
Die Verteidigung gegen Messerangriffe
Messerangriffe zählen zu den gefährlichsten Attacken in der Realität und ihre Abwehr zählt sicherlich zu einer der schwierigsten Aufgaben in der Selbstverteidigung. Hierzu gibt es viele Theorien, unterschiedlichste Konzepte sowie eine Menge von Techniken. Um eine Messerattacke erfolgreich abwehren zu können, ist ein laufendes Training von Messerabwehrtechniken, Strategien und Szenarientraining unbedingt notwendig.
Im Folgenden finden Sie einige wichtige Punkte um auf dieses Thema vorzubereiten:
Aktualität
Angriffe mit Messern oder messerähnlichen Gegenständen zählen in Europa zu den häufigsten Waffendelikten. Die meisten Angriffe sind ungeplant und passieren im Affekt ,sowie ausgelöst durch Alkohol- oder Drogenkonsum. Auch immer mehr Kampfsportlehrer und Selbstverteidigungsprofis erkennen die Aktualität und spezialisieren sich auf dieses Thema.
Die Distanzzonen in der Messerverteidigung
Die richtige Distanz kann entscheidend für den Ausgang einer Messerattacke sein. Die nötige Distanz kann durch ein Zurückweichen oder aber auch durch das Nutzen von Hindernissen wie Tischen, Fahrzeugen etc. vergrössert oder gehalten werden.
Zone A – Aufmerksamkeitszone
Die Aufmerksamkeitszone liegt außerhalb der Reichweite des Angreifers. Um einen direkten Angriff zu starten, muss der Angreifer diese weite Distanz aktiv verkürzen. In der Zone A besteht die Möglichkeit, sich noch auf den Angriff vorzubereiten oder sogar dem Angriff zuvor zu kommen. Die geeigneten Vorbereitungsmaßnahmen wären: Ready Position einnehmen, bewaffnen.
Zone G – Gefahrenzone
Die Gefahrenzone ist die “gefährliche” Zone, in der eine realistische Verteidigung (ohne Kontrolle des Messerarmes)unvorbereitet kaum möglich ist. Es handelt sich hierbei um die mittlere Distanz. In der aggressiven Verteidigung verkürzen wir die Distanz bis in die Verteidigungszone (kurze Distanz) um den Angriff effektiv abzuwehren. Sollte eine Verteidigung nicht möglich sein, besteht die Möglichkeit die Distanz auch wieder zu vergrößern.
Zone V – Verteidigungszone
Um sich effektiv verteidigen zu können bzw. die Schwachstellen des Angreifers zu attackieren und die Kontrolle über die Waffe zu erlangen, ist es paradoxerweise notwendig, in sehr kurzer Distanz (Verteidigungszone – maximal eine Armlänge) den Angriff abzuwehren. Im folgenden Handlungskonzept finden Sie die Details dazu.
Gefahrenerkennung
Grundsätzlich kann man nie voraussagen, was eine Person tun oder wie sie reagieren wird. Manchmal ist es einfach, eine bestimmte Gefahr auszumachen, in anderen Fällen gibt es keine Vorzeichen für eine aggressive Handlung. Kann man Gefahr frühzeitig erkennen, bietet dies natürlich einen ungemeinen Vorteil für eine mögliche Verteidigung. Bei der Wahrnehmung einer Gefahrenquelle ist es wichtig zu erkennen, von wem die Gefahr ausgeht und in welcher Form dies geschieht. Erst danach sind eine Beurteilung der Situation sowie das Einleiten einer bestimmten Handlung möglich. Schon im Verlauf eines verbalen Konfliktes ist es daher wichtig sein Gefahrenradar einzusetzen und mögliche Gefahren, die vom dem der den Angreifern ausgehen können, zu erkennen. Mögliche Hinweise für einen Angriff sind: Drohungen (verbal und/oder non-verbal), laute Stimme, Beschimpfungen, aggressive Körperhaltung, rasche Bewegungen, Greifen nach Gegenständen, Greifen in die Kleidung, versteckte Hände, Verkürzung der Distanz, stoßen, ziehen, drücken, Werfen von Gegenständen etc.
Handlungskonzept in der Messerverteidigung
Im Grunde gibt es zwei grobe mögliche Verteidigungsformen, die deeskalative und die aggressive Form der Selbstverteidigung. Welche Verteidigungsstrategie zum Einsatz kommt ist abhängig von der Intensität des Angriffs, von den körperlichen Voraussetzungen des Angreifers, von den eigenen körperlichen Fähigkeiten sowie von den örtlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen.
Unser Handlungskonzept soll als Gedächtnisstütze beim Training und der Verteidigung gegen Messerangriffe dienen. Speziell in derartig gefährlichen Situationen ist es wichtig einen gut durchdachten Plan im Kopf zu haben.
Konzept – Hit & Run – Hier gilt für alle Situationen, dass keinerlei Festlegetechniken Anwendung finden. Für das Einüben dieses Konzeptes sind einfache Blocktechniken, Schlag- und Tritttechniken in Verbindung mit dem natürlichen Fluchtverhalten zu trainieren.
Konzept – Defend & Control – Um sich gegen einen Messerangriff effektiv zu verteidigen, ist es in manchen Situationen notwendig die Kontrolle über den Angreifer und somit über die Situation zu bekommen. Nicht immer ist Flucht möglich. Die optimale Verteidigungsdistanz ist die Zone V, um Kontrolle über den Angreifer zu bekommen.
Prävention
Angriff ist die beste Verteidigung. Kommen Sie dem Angreifer zuvor, bevor er sein Messer ziehen kann oder zusticht. Mit einem Präventivschlag erhöhen Sie ihre Chancen um ein Vielfaches. Setzen Sie ihren Angriff fort bis Sie die Möglichkeit zur Flucht haben. Diese Präventionsmaßnahme ist jedoch nur optional zu sehen, da es nicht immer möglich ist, einem Angriff zuvor zu kommen.
Ready Position
Verteidigungshandlungen lassen sich optimal einleiten, wenn man von einer vorbereiteten Körperposition ausgehen kann, der Körper in Vorspannung ist und die Arme in Verteidigungsposition sind; optimal für eine Abwehrbewegung ist zudem genügend Distanz zum Angreifer. Das Einnehmen dieser sogenannten “Ready Position” ist jedoch nicht immer möglich, wie zum Beispiel bei unverhersehbaren Angriffen.
Block/Parry/Avoid
Wenn Sie mit einem Messer attackiert, setzen Sie einen oder beide Arme zur Verteidigung ein um sich zu schützen. Sie haben die Möglichkeit den Angriff mit den Armen zu blocken (aufzuhalten) zu parieren (weiterzuleiten) oder auch dem Angriff auszuweichen.
Control Arm
Nach der ersten Verteidigung des Angriffs ist es unbedingt notwendig den angreifenden (Waffen-) Arm zu kontrollieren, bevor der Angreifer mit der Waffe Schaden anrichten kann.
Attack Aggressor
Bei einem Messerangriff ist es wenig ratsam in der Defensive zu bleiben. Um den Angreifer abwehren zu können, sollten Sie unbedingt selbst zum Angriff übergehen und den Angreifer massiv attackieren, um ihn selbst im Gegenzug unter Druck zu bringen.
Attack Arm
Unter “Attack Arm” verstehen wir, den angreifenden Waffenarm zu zerstören (brechen, ausrenken, quetschen, beißen, zertrümmern, hebeln) und/oder zu entwaffnen. Eine Entwaffnung ohne den Angreifer zuvor massiv zu attackieren und zu verletzen oder außer Gefecht zu setzen ist äußerst riskant und kann nicht empfohlen werden! Den Angreifer danach zu entwaffnen hat aber den Vorteil, dass dieser die Waffe nicht nochmals gegen Sie verwenden kann und überdies Sie selbst die Waffe zur weiteren Verteidigung einsetzen könnten.
Control Aggressor
Die vollständige Kontrolle des Angreifers ist erst gegeben, wenn von ihm keine unmittelbare Gefahr mehr ausgeht. Die Kontrolle über den Aggressor ist jedoch ebenfalls nur optional zu sehen, da es nicht immer möglich, ist den Angreifer vollständig zu kontrollieren bzw. bei mehreren Angreifern es taktisch nicht sinnvoll erscheint.
Run
Als Run bezeichnen wir die Flucht oder das schnelle Verlassen des Ortes.
Chancen bei der Messerverteidigung
Natürlich werden Sie Ihre Chancen bei einem Messerangriff durch ein gezieltes und geeignetes Training erhöhen können. Eine 100% Sicherheit gibt es aber trotzdem nicht. Es ist nicht nur das Beherrschen der Verteidigungstechniken für einen positiven Ausgang der Situation ausschlaggebend, dazu gehören auch auch der unbedingte Wille zum Selbstschutz, die eigenen Fertigkeiten (Schnelligkeit, Reaktion, Kraft usw.), Selbstvertrauen, Kontrolle der Angst sowie Taktik und Strategie. Dies alles erhöht die Chancen, nicht so leicht Opfer einer Gewalttat zu werden!
Fazit
Wenn Sie ein System von Grund auf kennenlernen und erlernen möchten, ist es notwendig alle Details zu wissen und zu kennen. Dies trifft ganz besonders auf so ein wichtiges Thema wie die Verteidigung gegen Messerangriffe zu. Nur wer sich intensiv mit dem Thema Messer in seinem gesamten Kontext beschäftigt, versteht unser Anliegen in all seinen Facetten. TCS Knife Fighting Concept ist zu 100% klingenbezogen und ist für den Anwender entwickelt worden, um seine Weiterentwicklung als Verteidiger, Kampfkünstler und Kampfsportler zu gewährleisten.
Instruktorenkurse, Seminare und weitere Infos unter www.knifefighting-concept.com
Text: Peter Weckauf, Irmi Hanzal, Thomas Schimmerl
Bilder: Mike Lehner